Die Presse über das
14. Internationales Pfingstseminar Koblenz Guitar Festival 2006
14. Internationales Pfingstseminar / Koblenz Guitar Festival
Ein Bericht von Colin Cooper, Classical Guitar Magazine, Februar 2007
Gitarrenfest endet mit Flamenco
Bernhard Wibben, Rhein-Zeitung vom 6. Juni 2006
Das 14. Internationale Pfingstseminar bot bis gestern hervorragende Konzerte, Meisterklassen und einen Wettbewerb
Klassische Gitarrenmusik auf Weltniveau - sie ist fest mit Koblenz verknüpft. Gestern ist das 14. Internationale Pfingstseminar (Koblenz Guitar Festival) zu Ende gegangen - und hat wieder einmal Grenzen überschritten. So gab es über die Tage auch feinste Flamencokunst zu erleben.
KOBLENZ. Wer von Flamenco redet, kommt um ihn nicht herum. Und wer am Sonntagabend im Café Hahn war, hat ihn und sein Trio am ganzen Leib erlebt. Erstmals gastierte Gerardo Núñez im Rahmen des 14. Koblenz Guitar Festivals in Koblenz. Er gilt neben Paco de Lucía als einer der wichtigsten Vertreter des zeitgenössischen Flamenco.
Gerardo Núñez ist dabei nicht nur ein virtuoser Gitarrist, sondern ein Musiker, der den traditionellen Flamenco öffnet für Jazz-, Rock- und Popeinflüsse. Seine CD "Jazzpaña II" gewann 2001 den "Preis der deutschen Schallplattenkritik" und den "German Jazz Award".
Und was der Flamenco-Meister in Güls vor ausverkauftem Haus aus seinem Instrument zaubert, ist an Kreativität kaum zu überbieten - und weit entfernt von dem, was früher drei Akkorde bewirkten. Die Zuhörer werden hineingezogen in einen Strudel aus landestypischer Flamenco-Melodik und einer Rhythmik, die derart pulsiert und grooved, dass es einem fast die Beine wegschlägt.
An dieser spanisch-weltmusikalischen Urgewalt sind seine Mitmusikanten nicht unerheblich beteiligt. Sensibel mitdenkend und impulsiv umsetzend, markiert der Perkussionist Cepillo die unendlich treibende Kraft, die er großartig für die einzelnen Núñez-Kompositionen aufbereitet. Pablo Martin am Kontrabass ist eine Ausnahmeerscheinung: Eins mit dem Instrument sowie dem Sound und dem Song verpflichtet, gelingt ihm ein fast akrobatischer Fingertanz auf den Saiten, der die dynamischen Entwicklung in dieser Musik noch weiter vorantreibt.
Das Núñez-Trio ist hervorragend aufeinander eingespielt. Mit expressiven Klangtiraden und absolut präzisen Breaks verfehlt die Formation ihre musikalische Wirkung nicht. Das Auditorium liegt ihr zu Füßen, lässt sich einfangen von elegischer Schönmelodik und mitreißen von einem atemberaubenden Flamenco-Freudentaumel mit unglaublicher Power. Das Gerardo-Núñez-Trio ist mehr als nur ein Konzerterlebnis. Diese Musiker und ihre Musik erreichen an diesem Abend die Seelen der hingerissenen Zuhörer.
Eine spanische Gitarren-Nacht
Rhein-Zeitung vom 6. Juni 2006
Rheinische Philharmonie spielte mit Desiderio und Cotsiolis beim Festival
"Spanish Night": Der Titel lockte fast 400 Menschen in den Kammermusiksaal, um während des Koblenz Guitar Festivals in den Genuss zu kommen, auserlesene Gitarrenvirtuosen zusammen mit der Rheinischen Philharmonie zu erleben. Und es wurde ein Erlebnis. Unter dem klaren Dirigat von Rasmus Baumann unternahmen die Philharmoniker einen fulminanten Ausflug in die spanische Klassik. Albeniz" "Espana-Suite" erklang in der musikalischen Umklammerung von Tango, Maleguena und Serenata. Für bestechende Transparenz sorgte Baumann auch bei der spannungsgeladenen "Dreispitz-Suite" von de Falla.
Vor allem aber gelang es der Philharmonie, die musikalischen Dialoge aufzunehmen, die sie mit den Solisten in Werken von Joaquin Rodrigo führte. Dessen "Fantasia para un gentilhombre" gehört zu seinen Meisterkompositionen. Und ebenso meisterlich, virtuos und durchdacht wurde es von dem Neapolitaner Aniello Desiderio in Szene gesetzt. Einfühlsam generierte er die Facetten der Gitarristik im Kontext des sinfonischen Klangs. Mit überzeugenden Phrasierungen und interpretatorischer Sorgfalt begeisterte er das Publikum derart, dass es ihn nach "Standing Ovations" und minutenlangem Applaus nicht ohne Zugabe gehen ließen. Nebenbei bemerkt: Desiderio ist seit diesem Jahr auch Dozent an der Gitarrenakademie der Musikschule Koblenz.
Der Grieche Costas Cotsiolis knüpfte mit seiner Interpretation des Rodrigo-Hits "Concerto de Aranjuez" nahtlos an die gitarristische Versiertheit seines Vorgängers an. Nach der triumphalen Madrider Premiere des Concierto de Aranjuez für Gitarre und Orchester im Jahre 1940 wurde Rodrigo als Spaniens größter Komponist seit Manuel de Falla gefeiert. Nicht zuletzt, weil seine Komposition die typischen spanischen Klänge und Elemente des Flamenco und der orientalischen Folklore enthält, gehört es zu den populärsten Werken für Gitarre und Orchester. Cotsiolis Gitarrenspiel unterstützte auf genialische Weise die Dynamik, Farbenpracht und Melodik dieses Concierto.
Nach Beifallsstürmen für Solisten und Orchester wechselten die Zuhörer von der spanischen in die kühlere Koblenzer Nacht.
Perfektion mit den Gebrüdern Assad
Rhein-Zeitung vom 6. Juni 2006
Das Konzert versetzte das Publikum in Euphorie
Vor dem Kammermusiksaal der Rhein-Mosel-Halle drängten sich Menschenmengen, um das Gitarrenduo unserer Zeit live zu erleben: die brasilianischen Brüder Odair und Sergio Assad. Was sich dann im Konzert ereignete, war unglaublich. Für die beiden müsste man Superlative neu erfinden. Beide Musiker beherrschen das Gitarrenspiel technisch perfekt. Beide zeigen eine schier unendliche interpretatorische Sicherheit. Und die Art und Weise, wie sich diese begnadeten Fähigkeiten im Duo-Spiel potenzieren können, ist unfassbar. Da geht selbst im Strudel virtuoser Läufe über den Gitarrenhals kein Ton verloren. Gitarristik wird zum konzertant-orchestralen Erlebnis.
Etwa dann, wenn die Assads Albeniz" "Cordoba" zu einer traumhaften Inszenierung aufbereiten. Oder wenn sie Rodrigos "Tonadilla" in eine wirbelnde Tempo-Rhythmus-Melodie-Feier verwandeln und der Fröhlichkeit dieses Werkes Ausdruck verleihen.
Pausen zwischen den einzelnen Sätzen verleiten an diesem Abend dazu, der Begeisterung freien Lauf zu lassen und zu applaudieren. Einige tun"s auch! Sei"s drum. Es ist schon schwer genug, auf den Stühlen zu bleiben, wenn das Duo in Sergio Assads "Tahhiyya li Ossoulina" ein tonales Feuerwerk abbrennt, das am Musikantenhimmel wie ein Lichterglanz voller Melodik und Perkussion abbrennt. Das Duo lässt zudem die Grenzen der Musik schmelzen. In Astor Piazzollas "Invierno porteño" und "Zita" verbindet es Klassik mit argentinischem Tango, Jazz und Sinti-Swing.
In diesem Konzert wird nichts erzwungen. Da steht die Musik an erster Stelle. Und die Zuhörer genießen das, was die Assads ihnen auf die Ohren schicken. Das aber ist nicht irgendeine Interpretation, sondern eine Form von Musik, die in dieser Urgewalt der tonalen Artistik seinesgleichen sucht. Sergio Assad sorgt selbst für den Nachwuchs, intoniert mit seinem Bruder die wunderschönen drei "Valsas de Rio" seiner Tochter Clarice. Und auch die atemberaubenden zeitgenössischen Tondichtungen von Dyens finden ihren Weg ins Herz des Auditoriums ebenso wie Sergio Assads romantisch-verträumtes "Farewell".
Am Ende tobt das Publikum, feiert die Assads mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln. Jetzt fehlen allein die Superlative.
Gitarrist Steidl "verkörpert" Klassik
Bernhard Wibben, Rhein-Zeitung vom 3. Juni 2006
Clownesker Interpret wird bei Festival gefeiert
KOBLENZ. Das hat es beim "Koblenz Guitar Festival" noch nicht gegeben. Im voll besetzten Kammermusiksaal der Rhein-Mosel-Halle erlebten die Zuhörer mit Pavel Steidl einen virtuos phänomenalen Gitarristen, der Klassik nicht nur spielt, sondern mit ihr spielt. Nicht bierernst und dennoch tief eindringend in das, was die Komponisten ausdrücken wollten.
Dass es dabei mehr zu entdecken gibt als kompositorische Strukturen, ist Steidls Verdienst. Der Tscheche spürt den Ernsthaftigkeiten ebenso nach wie den hinter tausend Noten versteckten Humoresken. Pavel Steidl "verkörpert" Musik, setzt sie grandios auf seiner historischen Gitarre um und begleitet die einzelnen Phrasen mit einer Mimik, bei der sich das Auditorium ein Lächeln oder gar Lachen nicht verkneifen kann.
Mertz oder Paganini - mit Steidl kann man sie neu entdecken. Und es ist auch kein Vergehen, sich bei einer atemberaubend fließenden Ciacona von Bach zum Mitsingen mitreißen zu lassen oder den Takt mit den Füßen zu unterstützen. Es hat den Anschein, als würde der tschechische Virtuose nebenher musizieren, einfach so, zu seinem Vergnügen. Dabei aber wird das, was er interpretiert, zur wunderschönsten Nebensache der Welt.
Legnanis "Capricen" gestaltet Steidl zu einer fantasievollen Liebesgeschichte, kokettiert mit den Klangfarben, die er liebevoll entfaltet, gibt dem Ganzen musikalischen Esprit. Das Publikum genießt diese neue Form des klassischen Entertainments, lässt sich gerne mitnehmen in ein Welt der Gitarristik, die Spielraum lässt für eigenes Denken und Fühlen, die das offenbar Wichtige, aber auch die verborgenen "Jokes" entlarvt. Da bleibt auch Mauro Giulianis "Rossiniana" nicht nur eine Auseinandersetzung mit Rossini, sondern erweist sich unter den sensiblen Fingern des Saitenmagiers Steidl als Saitenzauber.
Bei allem ist Steidl kein nach Effekten haschender Mensch, sondern ein Gitarrist, der erfreulich anders denkt und interpretiert. Drei Zugaben erklatschen die Zuhörer. Eine davon: Lambada für Elise. Der Titel spricht für sich. Und für einen großartigen Interpreten.
Dem Gitarrenstar auf die Finger schauen
Lieselotte Sauer-Kaulbach, Rhein-Zeitung vom 2. Juni 2006
Während des Internationalen Pfingstseminars geben Musiker wie Manuel Barrueco Meisterkurse
KOBLENZ. Gitarrenklänge wehen durch Gänge und Flure der Musikschule, ab und zu mischt sich auch spanisch Angehauchtes unter die Musikfetzen, die zumindest akustisch erwärmend an das Ohr der trotz des ersten Junitags fröstelnden Besucherin dringen. Das 14. Internationale Pfingstseminar Koblenz, längst zu einem der weltweit renommiertesten Gitarrenfestivals arriviert, ist unüberhörbar in vollem Gange.
160 Studenten sind in diesem Jahr aus 40 Ländern nach Koblenz gereist, teils um sich an dem nach Professor Hubert Käppel, Lehrender an der Musikhochschule Köln und der Gitarrenakademie Kob-lenz, benannten Wettbewerb zu beteiligen, und/oder um Meisterkurse bei den in Kob-lenz versammelten Gurus der internationalen Gitarrenszene zu absolvieren. Die Liste reicht von den brasilianischen Geschwistern Odair und Sergio Assad, gegenwärtig einem der weltweit führenden Gitarrenduos, über Costas Cotsiolis, für den Leo Brouwer und Mikis Theodorakis Werke schrieben, und über den eine eigenwillige, klangvolle Spieltechnik auf der selbst entwickelten "Brahmsgitarre" kultivierenden Schotten Paul Galbraith bis zu Pavel Steidl, Spezialist vor allem für die Gitarrenliteratur des 19. Jahrhunderts.
An diesem Donnerstagvormittag erwartet Manuel Barrueco, ebenso emsig wie erfolgreich bei CD-Aufnahmen von Klassik bis Pop, Rock und Jazz (jüngst etwa eine CD mit Musik von Lennon und McCartney), im Konzertsaal der Musikschule seine Schüler zu einer "Public Masterclass". Meisterkurs mit Publikum - keine Sache für schwache Studentennerven, selbst bei sorgfältiger Vorbereitung.
Eine der Kandidatinnen an diesem Morgen ist Irina Kulikova, die aus Russland stammt, in Salzburg studiert und eine Sonate José Antonios, Stammvater des Fandangos, erarbeitet hat. Barrueco, die eigene Gitarre stets griffbereit, hört ihrem Vortrag konzentriert und aufmerksam zu, applaudiert, ja, das sei durchaus gut gewesen: "Very nice!", lobt er dann.
Aber nach der ersten Reaktion geht"s an die detaillierte Analyse, bleibt kaum eine Phrase, kaum eine Sequenz so, wie sie zuvor war. Barrueco, der ebenso viel Engagement und Energie als Lehrer wie als Interpret zeigt, will vor allem mehr Gefühl, mehr Weichheit, mehr Wärme - eben mehr Romantik: "Denk mal an Brahms!" Das gelte auch fürs Vibrato, das ist ihm zu nervös, zu unregelmäßig. Überhaupt dürfe sich nichts so anhören, als ob man beim Spielen angetrieben werde.
Eines aber ist ihm am allerwichtigsten: Zum einen ermahnt er Irina Kulikova und alle anderen dazu, mit der Gitarre zu singen. "Ihr müsst eurem Spiel die Qualität, den Ausdruck von Gesang geben, nur dann wird es natürlich klingen, nur so werdet ihr euch Türen zu immer neuen Interpretationsmöglichkeiten aufstoßen, alles andere führt in die Sackgasse." Um seinen Worten Nachdruck zu verleihen, singt und summt, begleitet von schwungvollen, weit ausholenden Gesten, Barrueco ganze Abschnitte tatsächlich vor, zeigt, wie er sich ihre Gestaltung hinsichtlich Tempo, Dynamik, Artikulation denkt. Dazwischen die Aufforderung: "Sing, sing! You can"t fail if you are singing." (Singen, singen, du kannst nichts falsch machen, wenn du singst.) Auch am Forte wird gefeilt, Barrueco will jede aggressive Steigerung, verdeutlicht, dass ein leises "molto espressivo" viel intensiver sein kann. Hauptsache, "du vermittelst dem Zuhörer dein wirkliches Gefühl".
Leichtigkeit des Musik-Seins
Bernhard Wibben, Rhein-Zeitung vom 1. Juni 2006
Die Nr. 1 der Gitarrenwelt: David Russell lässt das Publikum staunen
Über den voll besetzten Kammermusiksaal der Rhein-Mosel-Halle hat sich am Dienstagabend niemand gewundert. Wer versäumt schon gerne David Russell, die derzeitige Nummer eins der Gitarrenwelt? Im Rahmen des Koblenzer Festivals gab Russell, der vielfach preisgekrönte und sogar mit dem Grammy Award ausgezeichnete Virtuose, ein genialisches Konzert.
Dem Koblenzer Publikum zeigte er einmal mehr, wie interpretatorischer Tiefgang und technische Vollendung notierte Vorlagen in akustische Hörerlebnisse verwandeln können. Wie ein roter Faden zog sich seine Option auf angenehmen Wohlklang durch das Programm. Es wäre müßig, zu beschreiben, mit welcher Brillanz Russell sich in die Werke hineindenkt und einfühlt. Das Ergebnis bliebe gleich: Kompositionen - versehen mit dem Russell-Bonus. Giuliani hätte seine Freude daran gehabt, wie dieser Gitarrist seine "Grand Ouverture" dazu benutzt, die Leichtigkeit des klanglichen Seins zu demonstrieren. Milanos "Four Fantasies" gerieten unter den virtuosen Fingern Russells in der Tat zu einer Musik, die - so der Interpret - Leonardo da Vinci schon beim Malen genossen haben mag.
Authentizität liegt Russell ebenso am Herzen wie das Erzeugen von klanglichen Traumreisen, die lediglich zwischen den Stücken durch den frenetischen Applaus des Publikums wieder zurückführen in das Hier und Heute. Granados" poetische Walzer oder auch die "Hungarian Fantasy" von Mertz geraten da zur musikalischen Poesie. Dowlands Gefühlswelt reicht von Traurigkeit in "Lacrimae Pavan" bis zur Fröhlichkeit der "Dowland Galliard". Hans Haugs Musik gerät unter den Fingern Russells zum meditativen Akt mit expressiven Elementen. Und Sojos "Five Pieces from Venezuela" versieht dieser Gitarrenmann mit kontemplativer Ruhe, die jeden Ton in seinem vollen Glanz erstrahlen lässt.
Am Ende des Konzerts herrscht dann Staunen über das, was über das musikalisch Machbare hinauszugehen scheint. Dazu begeisterter Applaus und die Freude darüber, dass auch David Russell sein Können - wie übrigens alle konzertierenden Künstler - jeweils am Tag nach dem Konzert um 10 Uhr in einem öffentlichen Meisterkurs in der Musikschule Koblenz für den Gitarrennachwuchs verfügbar macht.
Das Gitarrenfestival beginnt sehr poetisch
Lieselotte Sauer-Kaulbach, Rhein-Zeitung vom 1. Juni 2006
Pfingstseminar: Paul Galbraith präsentiert ein Eröffnungskonzert auf höchstem spielerischem Niveau
KOBLENZ. Die Verquickung von Violoncello und Gitarre ist nicht ganz neu - man denke an das Arpeggione, das der Wiener Instrumentenbauer Georg Staufer 1823 erfunden und für das Schubert seine a-Moll-Sonate komponiert hatte. Wenn der schottische Gitarrist Paul Galbraith mit seinem Instrument, das er zusammen mit dem Instrumentenbauer David Rubio rund 160 Jahre später entwickelte, die Bühne betritt, stellt sich zwangsläufig gleichfalls die Assoziation "Cello" ein. Auch Galbraiths Gitarre wird von einem Stachel gestützt und aufrecht gespielt - allerdings gezupft und nicht - wie das Arpeggione - gestrichen.
Zwei Saiten mehr auf dem Griffbrett verleihen der "Brahms-Gitarre" dazu ein erheblich breiteres Klangspektrum, das Galbraith beim Eröffnungskonzert des 14. Internationalen Pfingstseminars im Historischen Rathaussaal nach allen Regeln der Gitarrenkunst ausspielt. Ein Zauberer auf seinem Instrument, einer, der dabei stets das Poetische und Nachdenkliche einer blendend virtuosen Brillanz vorzieht. Hat der von der internationalen Fachpresse mit Superlativen bedachte Musiker auf dem (zusätzlich als Resonanzkörper fungierenden) hölzernen Podest Platz genommen, geht von ihm deshalb nur noch eine große, unerschütterliche, konzentrierte Ruhe aus.
Sie ist die Basis für eine überaus delikate, filigrane Spielweise, die sich gleich in Jean-Philippe Rameaus Suite in e-Moll in transparentester Führung der Stimmen auswirkt. Reizend gelingt, nach der süß-melancholischen Sarabande, der "Rappel des Oiseaux", genau das Richtige für einen Interpreten, der so einfühlsam, aber auch so hingebungsvoll kleinste Nuancen auskostet wie Galbraith.
Maßgeschneidert sind für einen solchen auch die vier kurzen Stücke des Schweizers Frank Martin, gekreuzt aus impressionistischem Ansatz und barocker Satztechnik. Ihr Herzstück ist die "Plainte" - eine elegisch-melodische Klage, in ihrer Intensität durch harte Akkorde noch gesteigert, gefolgt von einem technischen Schmankerl: "Comme une Gigue".
Bach"sches, wie es bei Martin anklingt, akzentuiert insgesamt das Programm. Da ist zum einen die für die Gitarre in C-Dur transponierte Version der im Vergleich mit ihren Schwesterwerken eher selten gespielten Cello-Suite Nr. 4 in Es-Dur, die Galbraith vielleicht etwas zu sehr poetisiert und einebnet. Sei"s drum: Das Plus an Ausdruck, an Energie, das vom Cello ausgehen mag, wird von der Gitarre ausbalanciert durch ein Mehr an schwebender Leichtigkeit.
Da ist zum anderen, nach dem "richtigen" Bach, Mozarts eigentlich für das Cembalo geschriebene unvollendete Suite KV 399 - eine der Früchte seiner intensiven Auseinandersetzung mit Bach im Jahr 1782. Galbraith nimmt drei ihrer Sätze, Ouvertüre, Allemande (da schmeckt das Urbild am stärksten durch!) und Courante und kombiniert sie, einmal mehr durch perfekte und lupenreine Strukturierung glänzend, mit der Fuge KV 153 und der sieben Jahre später auf der Rückreise von Berlin komponierten Gigue in G-Dur KV 572, die Polyphonie in spielerische Meisterschaft umsetzt.
Märchenhaft in jeder Hinsicht fällt der Schlusspunkt aus: Maurice Ravels kleine Ballettsuite "Ma mère l"oye". Das sind betont kindliche, deshalb vergleichsweise sparsam kolorierte und gerade deshalb so hübsche Miniaturen, die Galbraith zarthändig nachzeichnet, mit der Chinoiserie, dem exotisch garnierten Marsch der "Laideronnette", der Kaiserin der Pagoden, als zierlich-witzigem Gipfelpunkt.
Das Gitarrenfestival beginnt am Montag
Rhein-Zeitung vom 26. Mai 2006
Hochkaräter im Dutzend: Pfingstseminar bringt Weltstars nach Koblenz - Konzerte und Wettbewerb
KOBLENZ. Mit dem Eröffnungskonzert des Schotten Paul Galbraith - bekannt für seine ungewöhnliche Art und Weise, die Gitarre zu halten - beginnt am Montag, 29. Mai, 20 Uhr, das 14. Internationale Pfingstseminar "Koblenz Guitar Festival" im Historischen Rathaussaal. Bis zum 5. Juni gibt es hochkarätige Konzerte, Vorträge, Meisterklassen und einen Wettbewerb, dessen erste Runde schon am Montag um 9 Uhr startet. Wieder bringen die Organisatoren Weltstars in die Stadt.
Schon jetzt kann Organisator Georg Schmitz einen Rekord melden: "Wir haben mehr als 150 Teilnehmer aus 40 Ländern." Sie und alle Musikfreunde können sich auf Abwechslung und hervorragende Qualität freuen.
So geben Stars wie David Russell, Manuel Barrueco und Pavel Steidl Konzerte im Kammermusiksaal der Rhein-Mosel-Halle. Dahin wurde auch das Prüfungskonzert von Russel Poyner am Sonntag, 4. Juni, 15 Uhr, verlegt - der Konzertsaal der Musikschule ist zu klein geworden. Das Festival trägt in diesem Jahr außerdem eine südliche Note: Am Freitag, 2. Juni, 20 Uhr, gestalten Aniello Desiderio und Costas Cotsiolis mit der Rheinischen Philharmonie eine "Spanish Night" in der Rhein-Mosel-Halle; am Sonntag, 20 Uhr, gibt es einen Flamenco-Abend im Café Hahn mit dem bekannten Gerardo Núñez Trio. Aus Brasilien kommen Odair und Sergio Assad, die am Samstag, 3. Juni, 20 Uhr, in der Rhein-Mosel-Halle spielen.
Die Festivalmacher suchen noch Gastfamilien für einige wenige Studenten. Wer einen jungen Musiker unterbringen kann, soll sich melden.
IPS: Acht Tage für sechs Saiten
Tim Kosmetschke, Rhein-Zeitung vom 4. Mai 2006
Das Internationale Pfingstseminar feilt weiter an seinem Ruf, eines der wichtigsten Gitarrenfestivals der Welt zu sein
Acht Tage lang steht Koblenz im Zeichen der sechs Saiten: Vom 29. Mai bis zum 5. Juni bringt das 14. Internationale Pfingstseminar (IPS) die Elite der Gitarrenwelt nach Koblenz. Es gibt wie stets Konzerte, Meisterklassen und den Wettbewerb. Das Gitarrenfestival gilt als eines der wichtigsten der Welt. Und an diesem Ruf wird weiter gearbeitet.
KOBLENZ. Es gibt in Koblenz eine Reihe von Klassikfestivals verschiedenster Prägung. Bei kaum einem dürfte die Weltklasse so präsent sein, wie beim Internationalen Pfingstseminar. Das seit einigen Jahren notwendigerweise mit dem Zusatz "Koblenz Guitar Festival" versehene Musikfest lockt Jahr für Jahr Vertreter des kleinen, aber illustren Kreises der bekanntesten Klassikgitarristen des Globus nach Koblenz. Und dazu etwa 130 Studenten aus allen Teilen der Welt.
"Wir haben da ein paar neue Länder dabei", beginnt Georg Schmitz das Gespräch über die 14. Auflage des Festivals, die am Montag, 29. Mai, beginnt. "Südafrika - gleich drei Meldungen. Einer kommt aus Teheran angereist, natürlich sind auch wieder junge Leute aus Südamerika, den USA, Kanada, Asien, Australien dabei." Sie werden in Meisterklassen von jenen Gitarrenstars unterrichtet, die auch die Konzerte im Kammermusiksaal der Rhein - Mosel - Halle geben - "der Rathaussaal ist uns zu klein geworden, mit dem Saal in der Halle sind wir aber auch sehr froh", meint Schmitz.
Zum ersten Mal ist beispielsweise Paul Galbraith dabei, ein Schotte, der in Sao Paulo arbeitet und Spezialist für eine besondere Spielart der Gitarre ist: Sie wird aufrecht gehalten und steht auf einem Resonanzkörper. Pavel Steidl aus Tschechien erlebt ebenfalls sein Koblenz - Debüt: "Er ist ein Experte für die Gitarrenkunst des 19. Jahrhunderts", erklärt Schmitz, der eine weitere Neuverpflichtung schlicht als "Knaller" bezeichnet: die Brüder Odair und Sergio Assad geben ein gemeinsames Konzert.
David Russell und Manuel Barrueco sind bekannte Namen für Kenner des Koblenzer Festivals. Ebenso Aniello Desiderio, der seit einiger Zeit auch an der Koblenzer Gitarrenakademie unterrichtet. Der Italiener wird gemeinsam mit Costas Cotsiolis und der Rheinischen Philharmonie die klassische "Spanische Nacht" gestalten. Selbes Land, anderer Stil: Im Café Hahn gibt es diesmal keinen Jazz, dafür aber Flamencoklänge.
Meist sind alle Konzerte ausverkauft, weil die Studenten gerne den Stars lauschen. Schmitz: "Das Publikum reicht aber vom sechsjährigen Schüler über den Hochschulprofessor und Leute aus der Region bis hin zu vielen Besuchern, die als Touristen extra zum Festival anreisen."
Akademie stellte Desiderio vor
Peter Karges, Rhein-Zeitung vom 24. Februar 2006
Zweiter Weltklasse-Gitarrist offiziell in sein Amt als Lehrer der Musikschule Koblenz eingeführt - Zwei Mal im Monat am Eck
Die Schüler der Gitarrenakademie der Musikschule der Stadt Koblenz kommen aus den verschiedensten Winkeln der Welt. So finden sich unter den 30 Schülern, die vorab allesamt eine Aufnahmeprüfung absolviert haben, Brasilianer genauso wie Koblenzer, Kölner oder Ungarn. Bislang wurden alle Hochbegabten von dem berühmten Gitarristen Professor Hubert Käppel unterrichtet. Er bekommt jetzt jedoch Unterstützung aus Neapel: Die Akademie hat den Gitarristen Aniello Desiderio verpflichtet.
KOBLENZ. Etwa 2000 Kilometer liegen zwischen Koblenz und Neapel. Nimmt man den Flieger, so dauert die Reise inklusive Bahnfahrt von Köln nach Koblenz allerdings nur noch rund drei Stunden. Für den berühmten Gitarristen Aniello Desiderio ein Pendeln zur Arbeitsstätte, denn seit Anfang Februar unterrichtet er an der Musikschule der Stadt Koblenz Schüler der Gitarrenakademie (die RZ berichtete). "Wir freuen uns sehr, dass es uns gelungen ist, Aniello Desiderio für diesen Lehrauftrag an der Gitarrenakademie zu gewinnen", betonten jetzt Kulturdezernent Detlef Knopp und Hans-Peter Lörsch, Leiter der Musikschule der Stadt, bei der offiziellen Amtseinführung Desiderios.
Der 34-jährige Neapolitaner wird dabei rund ein Drittel der zurzeit 30 hochbegabten Schüler, die vorab alle eine Aufnahmeprüfung absolvieren mussten, in klassischer Gitarre unterrichten. Die anderen zwei Drittel werden von Professor Hubert Käppel, dem Großmeister der deutschen Klassikgitarrenszene, unterwiesen. Aniello Desiderio, der in Koblenz schon mehrere Male beim renommierten "Koblenz Guitar Festival" aufgetreten ist, wird für seinen Lehrauftrag im Zwei-Wochen-Rhythmus nun für jeweils zwei Tage Neapel gegen die Rhein-Mosel-Stadt eintauschen. In Celsiusgraden ausgedrückt, ist dies unter Umständen zuweilen ein kleiner Quantensprung, musikalisch jedoch gibt es keine Unterschiede. Desiderio: "Die Art, klassische Gitarre zu spielen, ist in Europa eigentlich gleich. Größere Unterschiede im Gitarrenspiel gibt es eher zwischen den Kontinenten, zwischen Lateinamerika und Europa beispielsweise."
Der Lehrauftrag für den exzellenten Gitarristen aus Süditalien ist dabei als Projekt auf zwei Jahre angelegt. Möglich wurde die Anstellung von Aniello Desiderio dabei überhaupt erst durch Sponsoren. "Der Lehrauftrag wird zu 50 Prozent von der Stadt Koblenz finanziert. Die anderen 50 Prozent stammen aus dem Engagement der Sparkasse Koblenz, der Koblenzer Kulturstiftung sowie des Freundeskreises der Musikschule und der Vizepräsidentin der Fachhochschule Koblenz, Professorin Ingeborg Henzler", erklärte Lörsch.
Weltstar lehrt Gitarre in Koblenz
Tim Kosmetschke, Rhein-Zeitung vom 28. Januar 2006
Neu an der Akademie der Musikschule: Aniello Desiderio - Mit Sponsorengeldern finanziert - Hochklassige Ausbildung
Aus aller Welt kommen junge klassische Gitarristen nach Koblenz - entweder, um beim renommierten "Koblenz Guitar Festival" an Pfingsten dabei zu sein, oder, um in der Gitarrenakademie der Musikschule ihr Können zu perfektionieren. Jetzt hat die Akademie einen zweiten Weltstar als Lehrer verpflichten können: Aniello Desiderio aus Neapel.
KOBLENZ. Tja, wann habe er denn nur zum ersten Mal den Namen der Stadt Koblenz in der internationalen Welt der Gitarristik vernommen? Aniello Desiderio streicht sich um den dunklen Dreitagebart. "Maybe, 1994, hmm." Hubert Käppel kommt ihm - ebenfalls Englisch sprechend - zu Hilfe: "War das nicht in Frechen?" Oder wie? Oder was? Lachend geben die beiden auf - erstens kreuzen zu viele gemeinsame Erinnerungen den Weg in die Vergangenheit, zweitens hat Desiderio mittlerweile so viele Verbindungen nach Koblenz, dass er die erste kaum herausfiltern kann. Nun kommt noch eine sehr wichtige hinzu.
Denn Aniello Desiderio ist nun Lehrer an der Gitarrenakademie der Musikschule der Stadt Koblenz - nach Hubert Käppel, dem Doyen der deutschen Klassikgitarrrenszene, der zweite Weltstar in Diensten der hochklassigen Einrichtung, die Georg Schmitz vor gut vier Jahren initiierte. Ende Februar wird er offiziell ins Amt eingeführt, seit Januar schon unterrichtet er seine zehnköpfige, internationale Klasse von Hochbegabten an sechs Saiten.
Desiderio freut sich sichtlich. Der Neapolitaner kommt ins Schwärmen: "Ich habe Hubert und Georg zu danken für die unglaubliche Möglichkeit, hier unterrichten zu dürfen", sagt der 34-Jährige, "es eröffnet mir und auch der Gitarre allgemein neue Chancen. Wir können hier etwas ganz Besonderes schaffen." Gemeinsam mit Käppel lobt er dann die unbürokratische Arbeitsweise an der Akademie, die Konzentration auf die Musik, den hervorragenden Ruf der Einrichtung in aller Welt, der dazu führt, dass nur die besten Schüler aufgenommen werden (können).
Gerade an diesem Tag hören sich Käppel, Desiderio und Schmitz einen viel versprechenden Kandidaten an: Artyom Dervoed aus Moskau hinterlässt ein blendenden Eindruck. Ob er einen der begehrten Plätze in Desiderios Klasse erhält - Geduld ist gefragt. Desiderio kommt zwei Mal im Monat nach Koblenz, um zu unterrichten. Die Gitarrenakademie bietet neben einer Hochbegabtenfrühförderung auch Studienvorbereitung, externen Hochschulunterricht und Postgraduation (Unterricht nach dem Abschluss) an. Ungefähr 30 junge Gitarristen kommen aus aller Welt, um hier zu studieren. "Durch Aniello Desiderio melden sich nun noch einmal neue Leute", ergänzt Musikschulchef Hans-Peter Lörsch.
Die Wurzeln der Akademie liegen natürlich im Internationalen Pfingstseminar, dem "Koblenz Guitar Festival", das vom 29. Mai bis zum 5. Juni wieder die Weltelite der Gitarre nach Koblenz bringen wird. So war auch Desiderio mehrfach zu Gast, gab Konzerte, leitete Meisterklassen. Den Koblenzern war nicht nur die fachliche Kompetenz des Ausnahmegitarristen klar, auch menschlich harmonierten alle Beteiligten. "Wir sind froh, dass gemeinsam mit Hubert Käppel nun ein Gitarrist der jüngeren Generation bei uns unterrichtet", sagt Lörsch.
Finanziert wird das Engagement Desiderios über so genannte Drittmittel - Spenden und Sponsoren, von denen die Musikschule die Kulturstiftung und die Stiftung Zukunft nennt. Die Akademie schreibt also weiter schwarze Zahlen.